Die Massnahmen der Regierung zum Schutz vor dem Coronavirus erlauben es nicht, bei einer Bewohnerin oder einem Bewohner zuhause ein Gespräch zu führen.
So habe ich aus der Not eine Tugend gemacht und stattdessen ein paar Eindrücke vom Leben in unserem Quartier in Zeiten von Corona festgehalten.
Es ist der 24. April. Vom Küchenfenster aus sehe ich auf den Dorfplatz. Die Sonne wirft ihr Morgenlicht über den Platz und bringt die prächtige Linde zum Leuchten. SPAR hat bereits geöffnet, ein paar Autos, Velos und der Bus fahren vorbei. Ein scheinbar ganz normaler Morgen. Doch bei genauerem Hinsehen ist vieles anders: Im Bus hat es kaum Passagiere, niemand eilt zur Haltestelle, und weit und breit sind keine Schüler und Schülerinnen oder Kindergärtler in Sicht. Stattdessen setzen sich viele Erwachsene für das Homeoffice und die Kinder und die Jugendlichen für das Homeschooling vor den Laptop.
Ein älteres Paar, das zum Einkaufen auf den SPAR zugeht, erinnert mich an das Rundschreiben vom 18. März, das die EBG-Geschäftsstelle an jede Tür der Genossenschaftshäuser geheftet hat. Die Überschrift: «Unterstützung in ausserordentlicher Situation».
Erfreulich, dass bereits zwei Tage nach der Erklärung der «ausserordentlichen Lage» durch den Bundesrat eine Nachbarschaftshilfe zustande kam. Initiiert wurde sie von Robert Müller, Meret Steinmann, Judith Zemp und Christoph Isenegger. Ich habe mit Meret Steinmann und Robert Müller am Telefon gesprochen und wollte von ihnen wissen, wie es zu dieser Initiative kam und welche Erfahrungen sie bisher gemacht haben. Ich erfuhr von ihnen, dass sie zuerst alle über 70-jährigen Personen im Quartier kontaktiert und über das Angebot der Nachbarschaftshilfe informiert hätten. Die Leute hätten ihren Anruf sehr geschätzt, aber nur wenige schliesslich vom Angebot Gebrauch gemacht. Für viele würden Nachbarn oder Verwandte einkaufen, und andere wollten nicht auf den täglichen Gang zum Laden verzichten. So würden die zwölf Helferinnen und Helfer, die sich auf den Aufruf im Rundschreiben gemeldet hatten, derzeit nur gerade für fünf Haushalte regelmässig einkaufen. Eigentlich ein gutes Zeichen, denn das heisst, dass die Solidarität im Quartier spielt. Inzwischen ist es später Nachmittag. Der Dorfplatz ist belebt, die Bänke um die Linde und vor dem SPAR sind besetzt – die Leute nutzen die Gelegenheit für einen Schwatz. Sie halten den Abstand von zwei Metern ohne Mühe ein – als hätten sie die Empfehlung des Bundesrats bereits verinnerlicht. Auch die Kinder sind wieder draussen. Das Leben scheint für eine Weile etwas an Normalität zurückgewonnen zu haben.
Erika Frey Timillero
Foto: Rolf Theiler